Kein Hindernis für die List des Weibes

Theatersommer: Liebes- und Schelmengeschichten aus 1001 Nacht

BAYREUTH - von Eva Bartylla

In 1001 Nacht kann viel geschehen. Sehr viel. Wirkliches und Irreales. Es können Kriege begonnen und beendet werden, Ehen geschlossen und geschieden. Kinder gezeugt und geboren. So geschehen am Freitagabend in der zum Theaterraum umfunktionierten Galerie I-Kuh im Anwesen Wehrfritz in der Nürnberger Straße. Allerdings nur zwei Stunden lang. Dargeboten als kleines feines Kammerspiel. Anlass der Gebärfreudigkeit: Die Premiere der „Liebes- und Schelmengeschichten aus 1001 Nacht“ mit dem Figurentheater Piccolo Teatro Espresso von und mit dem Puppenspieler Thomas Glasmeyer im Rahmen des Theatersommers Fränkische Schweiz.

Puppentheater, das ist etwas für Kinder. Weit gefehlt. Puppen-, in diesem Fall, Figurentheater, kann außerordentlich erotisch und exotisch sein. Oft werden Puppen im Theater bei besonders heiklen Szenen eingesetzt als Verfremdung und Verstärkung zugleich. Thomas Glasmeyer geht seine Geschichten direkt an, ohne falsche Schamhaftigkeit oder Bescheidenheit. Bereits beim Bau dieser Puppen dürfte er einen Heidenspaß gehabt haben. Seine intensive Freude am Spiel springt augenblicklich auf die Zuschauer im gerammelt vollen ehemaligen Kuhstall über. Ein wenig gewagt und nicht ganz jugendfrei allein schon die Gestalten. Bewegung und Sprache schenkt ihnen Glasmeyer als sei’s ein Stück von ihm. Ist es irgendwie auch. Schon von Kindesbeinen an galt seine Leidenschaft den Figuren aus Holz und Pappmaché. Bei und mit ihnen kann er seiner Fantasie freien Lauf lassen. Er kann Bezüge herstellen, Tabus brechen, Träume Wirklichkeit werden lassen oder theatralische Varianten wie Schattenspiele und Metamorphosen zeitversetzt inszenieren. So intensiv und tatsächlich könnte das mit Menschen nicht gelingen. Ein Meister seines Faches. Ein Virtuose.

Die Geschichten um König Scharyar und die Wesirtochter Scheherazade samt Schwester Dinharazade gewinnt so eine kultivierte Ästhetik, enthüllt Denksysteme der Gesellschaftsmoral, des Zeitbezugs und darüber hinaus. Eine starke Frau kämpft um das eigene und womöglich unzählige andere Leben mit dem vollen Einsatz ihrer physischen und psychischen Existenz. Und mit all ihren körperlichen, ungeniert zur Schau gestellten Reizen. Ganz nebenbei und von dem geistesarmen König unbemerkt, empfängt und gebiert sie drei Söhne.

So sehr hat sie es verstanden, ihn mit kunstvoll verwobenen Geschichten von Bettlern und Königen, von Dämonen und Kaufleuten, von treuen und untreuen Liebenden zu fesseln, dass er 1001 Nacht, also fast drei Jahre, offenbar völlig entrückt lebte und liebte. Sie hoffte und weiß nun: Kein Hindernis ist zu groß für die List des Weibes.

Das ist auch die Moral von der Geschichte. Unmöglich aufzulisten, mit welch künstlerisch figürlicher, erzählerischer und handwerklicher Raffinesse der passionierte Puppenspieler aus Würzburg sein Stück ausstattet. Mit 1001 feinsinnigen Details. Unbedingt anschauen.