Würzburg spielt ein Buch

Premiere des Puppenspiels „Der Aufruhr um den Junker Ernst“ in der Theaterwerkstatt

Karl-Georg Rötter

Das kommt nicht alle Tage vor: Eine Welturaufführung in der Theaterwerkstatt! Möglich gemacht hat es die Aktion „Würzburg liest ein Buch“, in deren Zentrum die Novelle „Der Aufruhr um den Junker Ernst“ des fränkischen Autors Jakob Wassermann steht. „Würzburg spielt ein Buch“ wurde daraus in der Theaterwerkstatt, deren Leiter Thomas Lazarus die literarische Vorlage in eine szenische Fassung umgearbeitet hat. In Szene gesetzt wurde der Text vom Würzburger Puppenspieler Thomas Glasmeyer, der das Premierenpublikum fast zwei Stunden lang in den Bann zog.

Ein wahres Bühnenerlebnis

Wassermanns nicht einfachen, manchmal etwas sperrigen Text, hat Lazarus mit allerlei dramaturgischen Kunstgriffen zu einer Bühnenhandlung verdichtet, die nicht einen Moment lang die Spannung verliert. Das liegt aber auch und vor allem an Glasmeyer, der seine selbst gebauten und auch von ihm ausgestatteten Holzpuppen von der ersten Minute an mit sicherer Hand zum Leben erweckt. Gleichzeitig spricht er alle sieben Rollen, fungiert als Erzähler und bringt sich auch selbst darstellerisch ins Geschehen ein. Bei der zu meisternden Textmenge ist das Schwerarbeit, die ihm aber mühelos gelingt. Da kann man dann am Schluss schon mal augenzwinkernd zugeben, dass der gesprochene nicht immer dem vorgegebenen Text entsprochen habe. Aufgefallen ist es nicht.

Die Erzählhandlung des Wassermann-Textes und die darin eingewobenen Geschichten, die der Junker Ernst immer wieder zum Besten gibt, zu einer einheitlichen Bühnenhandlung zu verknüpfen, haben Lazarus und Glasmeyer exzellent gemeistert. Gleichsam aus dem Off wird zu Beginn eine der Fabeln des Junkers erzählt, ehe Fürstbischof Philipp Adolph von Ehrenberg auf die Bühne kommt – ein kleines schmächtiges Männlein, das im Vergleich zum finsteren und herablassenden Jesuitenpater Gropp, eher unterwürfig und hilflos daher kommt. Dieses Verhältnis der beiden findet seinen spielerischen Höhepunkt, als beide versuchen, den vermeintlich von bösen Geistern besessenen Junker Ernst von selbigen zu befreien. Eine Szene im übrigen, die durch eine überraschende Idee des Puppenspielers ihren besonderen Reiz bezieht.

Visuell besonders gelungen ist die Junker-Ernst-Geschichte vom Schneider, der bei einem nächtlichen Spaziergang 24 Gespenstern neue Kleider verspricht. Da erfährt das eher ernste Stück eine humoristische Auflockerung. Der Spaß vergeht aber schnell wieder, wenn Glasmeyer ein detailgetreu gestaltetes Folterbett auf die Bühne stellt, auf dem Ernsts Mutter in seinem Beisein vom Folterknecht gemartert wird, den in diesem Moment Glasmeyer selbst darstellt. Hoffen, Bangen, Trauer und Angst werden in dieser Gefängnisszene förmlich greifbar, so „menschlich“ führt Glasmeyer seine Puppen über die ebenfalls von ihm ausgestattete Bühne.

Mit dem Eintreffen des Paters Spee kündigt sich die Wende an und der Junker Ernst wird aus dem Gefängnis befreit, während Bischof Ehrenberg den finsteren Pater Gropp von seinen Ämtern entbindet. Allenthalben herrscht Erleichterung – auch beim Puppenspieler.

Die Zuschauer erlebten eine äußerst gelungene Bühnenadaption eines schwierigen Stoffes und einer komplexen Textvorlage, in der Inszenierung angereichert durch viele Details, die Staunen machen, wie beispielsweise die sprechende Kanne.

Thomas Glasmeyer und Thomas Lazarus meisterten ihre Aufgaben mit Bravour, was das Publikum mit lang anhaltendem und begeisterten Applaus belohnte. [...]

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