Wenn aus Feinden Freunde werden

Thomas Glasmeyer, Puppenspieler und Puppenbauer, begeistert mit seiner „Kleine Riesen-Wintergeschichte“ das Bad Brückenauer Publikum.

Warum der Nikolaus rote Sachen trägt: Unter diesem Untertitel bot Thomas Glasmeyer, Puppenspieler und Puppenbauer aus der Nähe von Würzburg seine „Kleine Riesen-Wintergeschichte“ dar. Der Künstler war bereits zum vierten Mal in der Galerie Form und Farbe zu Gast, erstmals nun mit einem Kinder- und Familienstück.

Später Sonntagnachmittag. Draußen versinkt die Welt gerade im Schnee, immer mehr Gäste kommen durch die „Hofweihnacht“ geschlendert, die Galerie füllt sich. Kinder mit erwartungsfrohen Gesichtern rangeln sich um ihre Ehrenplätze in der ersten Reihe und werden mit Kinderpunsch versorgt, den natürlich auch die Erwachsenen probieren dürfen – die weihnachtliche Spannung steigt, bis nach Begrüßung durch den Galeristen Hans Dietrich Unger die Bühne ins Dunkel taucht.

Nur ein Berg ist zu sehen, darauf eine Wetterfichte … und sonst: nur ganz viel Gegend, wie Glasmeyer beschreibt, der – selbst ganz in schwarz gekleidet – fast wie ein Magier mit dem Hintergrund zu verschmelzen scheint.

Riesen im Berg

Und dann beginnt die Geschichte … vor vielen hundert Jahren, in einer Gegend, in der es eben außer viel Gegend und einem Berg mit einer alten Fichte nichts gibt. Irgendwann bauen drei Einsiedler auf dem Berg eine Kapelle mit einem Glöckchen, das die Menschen, die vorbeikommen, sehr bewundern. Doch was keiner weiß: in dem Berg wohnen zwei Riesen, die alle zweihundert Jahre für ein paar Stunden wach werden – allerdings nur, um sich heftig zu streiten und mit bösen Schimpfwörtern zu ärgern. „Du Schnarchnase“, dröhnt es da mit tiefer Stimme – „Selber eine, du Pfannkuchen.“ …und bei einem solchen Streit geht zu allem Übel die Kapelle zu Bruch und damit der einzige Reiz dieser sonst so einsamen Gegend.

Fleißig, aber spinnefeind

Im Laufe der Zeit aber entstehen links und rechts vom Berg zwei Dörfer, Oberpopeln und Unterpopeln. Hier leben fleißige, sich als Nachbargemeinden aber spinnefeinde Menschen. Da gibt es zwei gewichtige Chorleiter, die im Wettstreit miteinander stehen und mit ihren Chören eigene Weihnachtslieder einüben. Es gibt zwei Bürgermeister, die sich überhaupt nicht leiden können – der schwäbische Kuno Gunzenhäber mit dem roten Frack, der unter dem Joch seiner liebreizenden Adelaide steht („Kunoooo, s'isch 18 Uhr, Feirrrabend, Hände waschen, Abendessen!“), und die sich so sehr die Litfaßsäule im Ort wünscht, um „ebbes Neues“ anschlagen und damit Ignaz Dömpflinger ärgern zu können, den anderen Bürgermeister, der in Habitus und – von Glasmeyer geliehener – Stimme – doch sehr an einen ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten erinnert.

Die Kinder aus Oberpopeln und Unterpopeln liefern sich jeden Tag Wettrennen zur Schule, und traurig zurück bleibt als Vorschulkind nur der kleine Klaus. In der Nacht vom 5. auf 6. Dezember 1850 ist es wieder mal soweit, die Riesenbrüder wachen auf … und erleben mit, was durch das Auftauchen des zunächst nach einem Sturz von seinem Schlitten arg gebeutelten Nikolaus passiert: Die Bürgermeister werden zu Freunden. Die Riesen bauen die zerstörte Kapelle gemeinsam wieder auf, reparieren zusammen das Glöckchen und erkennen dabei, dass heilen manchmal schöner ist als kaputtmachen. Die konkurrierenden Chorleiter Sebaldus Sauerbrei und Muftus Mieslich bereiten ein gemeinsames Weihnachtsprogramm vor, die beiden Gemeinden wachsen zu Großpopeln zusammen, mit einer gemeinsamen Litfaßsäule mitten im Dorf, bekommen eine neue Schule, und am Ende darf der sonst immer abgeschobene kleine Klaus allen Zuschauern ein frohes Fest wünschen … und traut sich das sogar.

Es ist eine turbulente und gleichzeitig nachdenklich stimmende Geschichte, die Kinder und Erwachsene zum Schmunzeln bringt. Mit großen Augen verfolgen die vielen kleinen Zuschauer das zauberhafte Theater, das einstimmt auf die leisen und friedvollen Töne der Weihnachtszeit … berührend, entspannend und einfach wunderschön.

Mit Schalk im Nacken

Thomas Glasmeyer, immer als Schelm agierend, mit Schalk im Nacken, ist ständig aktiv und verschwindet doch fast magisch hinter seinen Puppen, solange er diese in Bewegung hält. Er intoniert schwäbisch, bayerisch, als Erzähler hochdeutsch, wechselt zwischen Kinderstimme und burschikosem Slang der Riesen, zwischen der naiv-strengen Adelaide und den hochmütigen „Bestimmern“. Er flitzt hin und her, bewegt seine Puppen, erzählt, lockt das Publikum, plaudert mit den Kindern und lässt sie schwören, dass sie die geheime Geschichte nicht weitererzählen – man meint am Ende, es müsste viel mehr als nur ein Akteur beteiligt gewesen sein.

Die Geschichte endet in Kontrast zu dem schlichten, einsamen Bergmotiv zu Beginn in einem zauberhaften Bühnenbild: hell erleuchtete Häuser, ein wiedererstrahltes Kirchlein auf dem Berg, alle Protagonisten im Bild friedlich vereint … eine zauberhafte Geschichte.
Nach Ende der Vorstellung nutzen die Kleinen und die Großen eifrig das Angebot, die Figuren näher kennenzulernen, zu berühren und selbst zum Leben zu erwecken.

Mit diesem Programm endete die diesjährige Veranstaltungsreihe der Galerie Form+Farbe. Im nächsten Jahr wird es wieder eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote geben, das endgültige Programm erscheint im Januar 2018. Karin Ott